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Biography Wanja Slavin Lotus Eaters


Wanja Slavin
Mit vorgefahrenen oder sicheren Fährten des Mainstream kann er wenig anfangen. Stattdessen bahnt er sich mit einer gelungenen Mischung aus profunder Musikalität und gesundem Selbstbewußtsein, aus Eigensinn und verlässlicher Intuition seinen eigenen Weg." Das stellte die Münchner TZ 2007 nach einem Konzert des damals gerade 20jährigen fest. "Zwischen Genie und Wahnsinn" (SZ) changiere seine Musik und er sei die "Hoffnung" oder gar die "Zukunft des deutschen Jazz". Er gewann einige Nachwuchspreise (einen 2. Preis bei „Jugend Jazzt“, den „New Generation“-Förderpreis des Bayerischen Rundfunks und den 2. Preis Gasteig Musikwettbewerb).

Es ist ihm gelungen, sich zu lösen von dem Nimbus des saxofonistischen Ausnahmetalents. In den vergangenen Jahren hat er eine eigene Ästhetik und schlüssige musikalische Sprache gefunden in der vielgesichtigen, aktuellen Jazzszene und ist zu einer der absolut hörenswerten Stimmen seiner Generation geworden.

Nach einem frühen Erfolg mit einer seiner ersten Band „Hipnosis“, die mit 5000 verkauften CDs schnell international Anerkennung fand, sich dann aber vor dem richtigen Durchbruch wieder auflöste, machte er früh als Bandleader Station auf einigen gewichtigen Bühnen: beim Münchner Klaviersommer, wo er mit Kenny Wheeler debütierte, beim Moers-Festival, beim Finale des BMW Jazz-Award, beim Klaeng Festival in Köln, bei der Jazzdor Strassbourg-Berlin und natürlich bei zahllosen Konzerten in Clubs und auf Festivals in ganz Europa. Von Beginn an hat Wanja sich nie auf ein funktionierendes Bandkonzept konzentriert, sondern immer in unterschiedlichen Konstellationen gespielt und oft die Besetzungen seiner Bands geändert, bis es die richtigen waren.

Nach einer frühen und schönen Duo CD mit dem Pianisten Marc Schmolling und einer einzigen Platte unter eigenem Namen, mit dem Franzosen Mederic Collignon als Gast (Scirocco, Jazzwerkstatt, 2009) ist erstmal eine Weil nichts veröffentlicht worden.

Es waren Jahre der Suche bis 2013 die Trioplatte Slavin-Eldh-Lillinger „Starlight“ (Unit Records) rauskam. Ein kollektives Werk, in dem es um die Adaption von Hip-Hop Grooves und dabei weniger um Abstraktion als um eine Übersetzung in das eigene Genre geht. Hier ist deutlich der raue Duktus des zeitgenössischen Berliner Jazz zu hören. Es ist eine Grenzauslotung der Klanglichkeit und auch der Konzeption des klassischen Saxofontrios. Für dieses Album wurde er 2014 mit dem Echo Jazz als Instrumentalist des Jahres national Saxofon/Woodwinds ausgezeichnet.

2014 folgte mit „For Very Sad and Very Tired“ (WhyPlayJazz) das Debut seiner Band Lotus Eaters. Auffallend lang gestaltete sich die Suche nach den richtigen Musikern. In der ersten Besetzung gewann er den 2. Preis beim BMW Jazz Award, um direkt danach die Band mehrmals umzubesetzen. Er spielte immer wieder in neuen Konstellationen. Um das zu finden, was er „einen guten Vibe“ nennt und auszuprobieren, wie die Musiker mit dem musikalischen Material umgehen und in einem Prozess eine gemeinsame übergeordnete Idee der Musik zu finden, denn es gibt keine komplexen Arrangements. Es geht "einfach um Songs". Die „Musik ist voller Referenzen — jedenfalls in meinem Kopf: Alles bezieht sich immer auf irgendetwas, das schon einmal da gewesen ist“, erklärt Slavin: „Die Musik meiner CD zeigt die Tradition, in der ich stehe.“ Es sind umkomplizierte Kompositionen, die kaum mehr als eine Seite Papier brauchen. Gesangliche Melodien und klare Formen mit Akkordstrukturen. So betrachtet ist er ganz unberlinerisch - ein Melodiker im klassischen Sinn. Keith Jarret, Charles Lloyd, aber auch Joni Mitchell nennt er hier als Referenz. "Da ist kein Unterschied zwischen einem Jodeltrio und A Love Supreme oder wenn Wilhelm Backhaus kurz vor seinem Tod das Wiegenlied von Brahms spielt. Das ist alles eines und darum geht es."

2015 erschien Amok Amors „Amok Amor“ (Boomslang Records). Zum Trio Slavin-Eldh-Lillinger kam der US-Trompeter Peter Evans. Das paßte sofort. Im kollektiven Quartett fanden sich vier außergewöhnliche Musiker, die musikalisch eine klare Botschaft vermitteln: "This is urgent music. Amok Amor surveys the threats and prospects of music in our world today. The world is changing, but this music will survive. Amok Amor is essential listening for anyone who is concerned about the primary challenges still facing the human race and is wondering where to find a ray of hope." Mit dieser Haltung und beeindruckender instrumentaler Virtuosität sorgten Amok Amor sofort für Furore auf großen internationalen Bühnen wie dem London Jazz Festival, Pori Jazz, AMD Festival Geneve, Bezau Beats, Elbjazz, PAN Festival, Jazzdor Berlin, Jazzdor Strasbourg, Moers Festival und Jazz Baltica.

Aktuell arbeitet er mit Lucia Cadotsch aka LIUN an einem neuen Projekt LIUN & THE SCIENCE FICTION BAND. Dunkle, treibende, in sich verschachtelte Beats, schimmernde Synthesizerklänge und versponnene orchestralen Arrangements zollen den geistigen Paten Nofretete, Scarface, Peter Greenaway, Kiddo, Nina Simone und Alfred Schnittke Tribut.

Als Sideman nahm er einige CDs mit klangvollen Namen auf - bei Christian Lillingers GRUND 1 (Clean Feed 2009) mit Joachim Kühn, Robert Landfermann und Jonas Westergaard, bei Marc Lohrs GERÄT 7 (Unit Records 2013) mit vielversprechenden Newcomern der Skandinavischen Szene, bei Gerhard Gschlössls G9 GIPFEL (Jazzwerkstatt 2010) mit den Haudegen der Berliner Szene Axel Dörner, Tobias Delius, Rudi Mahall, Alexander von Schlippenbach und John Schröder, bei Johannes Lauers LAUER LARGE mit der Elite der innovativen deutschen und schweizer Szene. Als Saxofonist, Produzent und Arrangeur war er auf dem Debut Album von Anna Maria Sturm „Tales of Woe“ (WhyPlayJazz 2014) beteiligt.

2015 erschienen „Blume“ (Unit Records) mit Magnus Schriefl, Bernhard Meyer und Peter Gall) und Christophe Schweizer‘s Young, Rich and Famous „Grand Grace“ (Between the lines), 2016 das Album „Dream Delivery“ (For Tune) des Igor Osypov Quartets.

In verschiedenen Konstellationen spielte er ausserdem u.a. mit Kenny Wheeler, Joachim Kühn, Peter Evans, Franz Ferdinand, Axel Dörner, Jochen Rückert, Ben van Gelder, Alexander von Schlippenbach, John Schröder, Harald Härter, Marty Cook, Pablo Held, Nils Klein, Johannes Lauer, Christian Lillinger, Petter Eldh, Rainer Böhm, Kalle Kalima, Ronny Graupe, Ralph Alessi, Jim Black, Zhenya Strigalev, Nasheet Waits, Bill McHenry, Peter und Bernhard Meyer.

Zahlreiche Rundfunkmitschnitte (u.a. für BR, SWR, DLF, RBB, NDR, BBC, Mezzo TV) dokumentieren einige dieser Zusammenarbeiten.

Wanja macht keine Musik, die sich hinter Floskeln versteckt, hinter bewährten Formen oder Konzepten. Es ist Ureigenes, das sich seine klug ausgewählten Mitmusiker kongenial zueigen machen. Archaisch und gleichzeitig intellektuell durchdrungen, eine ergreifende, in Töne gefasste Düsternis, die extreme Tiefenschärfe besitzt.

Dabei fußt alles auf profunder Kenntnis der Tradition. Bei so unterschiedlicher Musik stellt sich zwangsläufig die Frage nach Einflüssen und Stilistik. „Ich bin ein Sammler“ sagt Wanja und „Es gibt keinen Stil den ich bevorzuge. Es geht mir weniger um das Material oder geschmackliche Einordnung, sondern mehr um die Art wie man es spielt.“ Den Impulsen und Einflüssen sind keine Grenzen gesetzt und alle werden gleichermassen ernst genommen. So findet sich beispielsweise nie Ironie im Zitat, auch keine virtuos komponierte Brechung, kein Witz oder gar Epigonentum. Es geht ihm um die Suche nach einem ureigenen und eigenständigem Vokabular, nach einer Art Synthese aus der Summe dessen, was ihn umgibt. Das ist Eklektizismus in allerbestem Sinn.

Dazu kommt noch eine frappierenden Beherrschung des Instruments. Diese Virtuosität gehört dazu als ganz selbstverständliches Ausdrucksmittel, ist nie Selbstzweck. Als Improvisator zeigt er ein aussergewöhnliches Gespür für lange Bögen und logische Linearität. Hier hört man den Einfluß von Lee Konitz, bei dem er als 13jähriger einmal Unterricht hatte. Der wurde beendet, als Konitz Wanja fragte, ob er seinen eigenen Sound mag. Als Wanja das bejahte, warf Konitz ihn kurzerhand aus dem Raum. Trotzdem ist Konitz bis heute sein Vorbild. Seinen eigenen inzwischen unverwechselbaren Sound hat er aber nicht aufgegeben.

Es sind Kontraste zwischen denen er sich Wanja immer wieder neu zu definieren sucht. Das ist anstrengend und unbequem. Auch für seine Mitspieler.

Er ist auf der Suche nach der richtigen Art zu leben, nach der musikalischen Sprache, nach den Musikern, mit denen er seine Visionen am besten verwirklichen kann. Dabei fordert er sein Umfeld, seine Mitmusiker und Kollegen. Und die, die da mitmachen, gehören definitiv zur ersten Liga der deutschen und inzwischen auch internationalen Szene. Alle sind Repräsentanten einer Strömung der Jazzgemeinde, die neue Wege sucht und neue Kontexte für ihre Musik erschafft.

Dabei ist er extrem selbstkritisch und introvertiert, sehr ernsthaft und in gewissem Sinn demütig der Musik gegenüber. Introvertiert ist er auch auf der Bühne, sparsam in der Kommunikation mit dem Publikum - solange es um Worte geht. Wenn er spielt, dann explodiert eine musikalische Kraft, die ihresgleichen sucht. (Kathrin Pechlof, 2016)



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