Les Siècles, François-Xavier Roth, Tabea Zimmermann & Stéphane Degout - Hector Berlioz: Harold en Italie & Les Nuits d'Été

Review Les Siècles, François-Xavier Roth, Tabea Zimmermann & Stéphane Degout - Hector Berlioz: Harold en Italie & Les Nuits d'Été

Welches Ensemble wäre besser geeignet, das Berlioz-Jahr 2019 – der geniale Franzose ist vor 150 Jahren im Alter von 66 Jahren verstorben – einzuläuten als die Les Siècles, heutzutage das historisch orientierte französische Orchester schlechthin. Vom Dirigenten François-Xavier Roth vor 16 Jahren gegründet, ist das Orchester stolz auf seine komplette Sammlung historischer Instrumente, die es ihm erlauben Kompositionen exakt im originalen Klanggewand erklingen zu lassen. Das tut zwar auch das eine oder andere Konkurrenzensemble, keines jedoch so konsequent wie Les Siècles, was die Musiker dieses Ensembles nicht zuletzt dem Schatz originaler Instrumente verdanken. Besonders ohrenfällig ist der spezielle Klang historischer Instrumente im Orchesterverbund je weiter die Reise zurück in die Vergangenheit geht. Aber auch Kompositionen des neunzehnten und selbst des zwnzigsten Jahrhunderts profitieren von vom Orchestersound durch originales Instrumentarium. Einen Sonderfalls stellt Hector Berlioz dar, der gezielt das Klangreservoir der Instrumente seiner Zeit genutzt hat, um die unglaublichen Klangfarben zu erzeugen, die seine zum Teil irrwitzigen Kompositionen kennzeichnen. Welcher enormen Klangfarbenreichtum durch den Einsatz originaler Instrumente im Fall der Kompositionen von Berlioz ein Orchester zu realisieren vermag, demonstrierten Les Siècles eindrücklich bereits in der 2012 veröffentlichten Aufnahme der Sinfonie Fantastique des Franzosen. Der grundsätzlich schlanke Berlioz-Sound bildet die Grundlage für eine vor Berlioz nicht gehörte Klangfarbenorgie mit geradezu irisierenden Effekten, die auch heute noch nach von Rimski-Korsakov und Richard Straus gewobenen farbigen Klangteppichen überrascht und erstaunt, wenn Spezialisten wie Les Siècles mithilfe historischer Instrumente für ihre Erzeugung zuständig ist.

Harold en Italie, eine Programmsinfonie mit obligater Viola erklingt auf dem Berlioz-Jubiläumsalbum von Les Siècles unter François-Xavier Roth erstmalig in originaler Instrumentenbesetzung. Ursprünglich als Virtuosenkonzert für Nicolo Paganini konzipiert hat der Teufelsgeiger seine Teilnahme an der Uraufführung des Harold mangels virtuoser Ausrichtung des Tongemäldes kategorisch abgelehnt. Und tatsächlich spielt das Soloinstrument hier nicht die „erste Geige“. Vielmehr kommt der Viola die Rolle des Kommentators für die in Töne gesetzte Dichtung Lord Byrons zu, bei der es um die idyllische, teils wilde Landschaft der Abruzzen und um die Gefahr geht, die Reisende damals dort ausgesetzt waren, inklusive einem veritablen in bester Berlioz-Art wild auskomponierten Überfall durch Straßenräuber. Dieser krass auskomponierte Teil des Harald konkurriert in seiner Wildheit mit dem letzten Satz der Fantastique, während das vorausgehend genial gemalte Landschaftsgemälde dem des idyllisch angelegten dritten Satz der Fantastique am nächsten kommt. Tabea Zimmermann kommentiert mit ihrer den schlanken Orchesterklang spiegelnden überaus elegant und wo erforderlich virtuos geführten Viola das Geschehen im Harald mit dem eher kühlen Abstand des Historikers. Im Vergleich zu den nicht allzu häufigen Konkurrenzeinspielungen des Harald en Italie nimmt die Einspielung mit Les Siècles, Tabea Zimmermann und François-Xavier Roth interpretatorisch, spieltechnisch und aufgrund des verführerisch farbechten Sounds des Orchesters einen, wenn nicht den Spitzenplatz ein.

Der traumhaft schöne, zu Gemüt gehende Gesangzyklus Les Nuits d’Été wird üblicherweise mit einem Sopran oder einem Mezzo aufgeführt, war jedoch ursprünglich keineswegs so konzipiert. Vielmehr sieht das Original zumindest für einige der Songs einen Bariton vor. Zusammen mit Les Siècles übernimmt auf dem aktuellen Berlioz-Album Théophile Gautier durchgehend die Gesangsrolle, dessen hell timbrierter, sich in den hellen Sound des Orchesters optimal einfügender Bariton wie gemacht für die Rolle des Solisten in Les Nuits d’Été erscheint.

Alles in allem gehört dieses Berlioz-Album zum Feinsten, was von diesem französischen Klangmagier je eingespielt worden ist. Würdiger kann man das Berlioz-Jahr 2019 nicht eröffnen.

Stephane Degout, Bariton
Tabea Zimmermann, Viola
Les Siecles
Francois-Xavier Roth, Dirigent

Les Siècles, François-Xavier Roth, Tabea Zimmermann & Stéphane Degout - Hector Berlioz: Harold en Italie & Les Nuits d'Été

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