
Neun Jahre ist es her, dass die britische Band Skunk Anansie ihr letztes Album veröffentlicht hat. Nach einem EP vor rund vier Wochen liefern die Musiker um die charismatische Sängerin Skin jetzt den Longplayer nach – wenn kanppe 38 Minuten diesen Namen rechtfertigen.
Der Stunt ist schon etwas eigen: am 30. April vier Songs mit 14:59 Minuten. Jetzt weitere sechs und knapp 25 Minuten mehr Musik. Da hätte man sich die Vorabveröffentlichung eigentlich sparen können – falls nicht die Kassen all zu arg leer sind. Sei’s drum.
Denn was wirklich zählt, ist die Musik. Die war bei Skunk Anansie schon immer etwas anders. Pop, Rock, Metal. Harte Riffs, hohes Tempo, verspielte Synthesizer, mal sensibler, mal druckvoller Gesang. All das und noch viel mehr findet sich auf jedem der Alben, was die Zuordnung in eine Schublade erschwert. Zum Glück. Denn was hätten wir sonst?
Skunk Anansie bleiben ein Ü-Ei des Genremix. Niemand kann sich sicher sein, welche Wende am nächsten Taktstrich lauert. Nur dass es gut sein wird, das ist vorab schon fast sicher garantiert.
Dass das Album mit dem Song beginnt, der den EP beschließt, ist eine interessante Entscheidung: An Artist is an Artist ist eine temporeiche Nummer, die in guter Punk-Pop-Manier durch die Ohren marschiert. Soweit, so spaßig. Ibnteressant wird es, wenn Skin den Refrain anstimmt, denn da klingt „An artist is an artist“ manchmal eher wie „An artist is a narcissist“ oder auch anders herum: A narcissist is an artist“. Schade, dass dem Album kein Booklet mit Lyrics beiliegt. Immerhin dokumentiert Genius Lyrics die Zeile “ ‚cos the narcissist in artist / is beautiful“.
Geschenkt. The Painful Truth bietet auch so genug zum Nachdenken und zum Genießen. Da wäre beispielsweise Shame, eine ruhige Nummer mit poetischer Note. Cheers fließt als flotte Rocknummer durch den Äther und wird – da ist es wieder, das Ü-Ei – von der reggae-inspirierten Nummer Shoulda Been You (die natürlich in eine Rock-Refrain wechselt) abgelöst.
Animals, das den EP eröffnet, ist hier auf Platz 7 untergebracht und eine Nummer, die man genießen sollte. Das sind Skunk Anansie in bester Form, dynamisch, groovy, intensiv und mit klugen Lyrics obendrein. Das nachfolgende Fall In Love betritt dann Neuland und kontrastiert zu dem üblichen Skunk Anansie-Feel. Ein sehr smoothes Stück, fast schon Pop pur, wäre da nicht harte und zugleich swingende Rhythmik. Very cool.
Aufgenommen ist das Album sehr plain. Wenig Effekt, der über die eigentlichen Instrumente hinausgeht, lenkt vom Kern der Musik und seinem Impact ab. Ein reines Album, ähnlich reduziert und auf den Punkt wie das Cover. Womit nicht gesagt sein soll, dass es klangliche Mängel hätte. Dem ist keinesfalls so. Solide Bässe, bissige Gitarrenriffs, Skins Stimme zwischen Zwitschern und entladender Energie. Die Bühne dabei clubtauglich intim und greifbar.
Wer Rock mit Pfiff mag, sollte in The Painful Truth reinhören. (Thomas Semmler, HighResMac)
Skunk Anansie